Servas Hofrat

Wenn alte Freunde sich 25 Jahre nach der Matura wieder treffen, dann gibt es viel zu erzählen. Der Otto ist ein Lehrer geworden, der Walter Priester, der Fritz ein Chirurg. Einer ist Beamter, einer leitet den elterlichen Betrieb. Der Franz ist ein ganz „großes Viech“ geworden. Der ist Bezirkshauptmann. Ein Hofrat. Er hat nicht nur den höchsten Posten erreicht – er erzählt auch die netteste wahre Geschichte aus seinem Beruf …

Wie gesagt, der Franz ist ein Hofrat. Ein wirklicher Hofrat. Dabei schaut er gar nicht so aus. Er spricht Dialekt, kleidet sich gern sportlich und trägt am liebsten einen Lodenmantel und einen Steirerhut. In diesem gemütlichen Aufzug besteigt er eines Tages den letzten Waggon der Lokalbahn weil er in eine andere Bezirksstadt muss, zur Fahrprüfung, als Vorsitzender und Prüfer.

Mit ihm betritt ein zweiter Herr den Waggon, ein jüngerer Mann. auch im Lodenmantel. Er legt den Mantel ab, setzt sich neben unseren Hofrat und begrüßt den Kameraden mit einem herzlichen „Servas“. Der Hofrat schmunzelnd „Servas“. Kurze Pause. Der Junge zückt ein Fahrschulbüchl und beginnt zu lesen. Nach einiger Zeit wird es ihm offensichtlieh zu fad und so befasst er sich wieder mit dem grauhaarigen Mann gegenüber „Fohrst a in’d Stodt ?“. Der Hofrat: „Mhm“. – „Muaßt leicht a zur Fohrprüfung ?“ – Der Grauhaarige wieder: „Mhm“. Jetzt ist der junge Mann sichtlich erleichtert. Der Druck in seiner Magengrube lässt nach und das Rollen im Gedärm hört überhaupt auf. Er hat jetzt einen Leidensgenossen, der wie er zur Fahrprüfung muss. Und wenn dieser ältere Herr durchkommt, dann wird er selber es ja wohl auch schaffen. Man sollte ihn direkt ein bisserl ausfragen ….

Der junge Herr nimmt sich ein Herz: „Waßt wos, tuan ma si prüfn !“ Der Hofrat wollte eigentlich die Zeitung lesen, aber der gerissene Bursche gefällt ihm. „Host recht“ sagt er und legt die Zeitung wieder weg.

Und so geht es los. Der Junge weiß recht viel, und wenn er hängen bleibt, dann schaut er im Büchl nach. Der Ältere braucht kein Buch. Der weiß einfach alles und erntet serienweise die Belobigungen des staunenden jungen Herrn. „Um di is mir net bang. Du packst es sicher. Du bist scho durch“. Der Hofrat ist gerührt.

Nach einer Stunde sind sie in der Bezirksstadt angekommen. Jetzt trennen sich ihre Wege. Der Hofrat muss noch etwas besorgen. Der Bursche muss gleich zum Prüfungslokal. Weil er sich noch die Tafeln mit den Vorrangregeln anschauen will und weil auch das Rollen im Gedärm schon wieder anfängt. Er schüttelt dem Kollegen kräftig die Hand und versucht ein letztes Mal, den alten Freund aufzurichten: „Aiso, moch’s guat, es wird scho funkn !“. Er geht einige Meter fort, dreht sich dann noch einmal um und ruft dem anderen nach: „Hoffentlich san de Prüfer net wieder so Deppn wia beim letzten Mal. Do bin i nämlich durchg’flogn.“

Nach zwei Stunden treffen sich die Herren wieder. Der Hofrat sitzt jetzt vorne beim Schreibtisch. Sein „Spezi“ betritt das Prüfungslokal – und fällt fast in Ohnmacht. Er schleicht sich mit schlotternden Knien an und erreicht mit letzter Kraft die äußere Kante des Sessels. „Diesen Herrn habe ich schon eine Stunde geprüft“, sagte der Hofrat zum Leiter der Fahrschule. Er stellt ihm noch ein paar leichte Fragen und gratuliert dann dem bleichen jungen Herrn zum Erfolg. Der junge Mann erhebt sich schüchtern und verabschiedet sich überglücklich: „Grüaß Gott – und danke“.

Der Hofrat: „Servas“.

Die Geschichte stammt aus dem Buch: „Verstehst mi? Heitere Kurzgeschichten, Gedichte und Anekdoten aus dem Nachlaß von Med.Rat Dr. Friedrich Erhart (1929-1995)

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Robert Jiranek

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