Anno 1870 – Maria Taferl brennt

Das Vaterland, 7. August 1870

Pöbring, 4. August.

Eben komme ich von dem Wallfahrtsorte Maria-Taferl, welche, die Kirche, Pfarrhof, Schule und etwa drei kleine Gebäude ausgenommen, eine Ruine ist. Gestern um 7 Uhr Abends brach in einem Hause an der nördlichen Häuserreihe Feuer aus, wie man sagt durch die Schuld eines Knechtes, der Gerste einführte und die brennende Tabakspfeife auf das Stroh legte. Der Knecht ist flüchtig. Das Feuer, durch den Ostwind angefacht, flog bei der Trockenheit der Dächer schnell die ganze Reihe gegen die Kirche hinauf, und wurde, da der Wind sich änderte, auf die südliche Häuserreihe hinübergetragen. Um 12 Uhr Nachts war der Ort niedergebrannt. Zur Rettung war nichts oder wenig zu thun; denn es fehlte auf dem hohen Berge an Wasser und an Kräften. Wo es möglich war, wurden Habseligkeiten ausgeräumt, wobei ein junger Mensch, Franz Stoß, verunglückte, da er sich noch in das brennende Locale wagte und nach dem Brande als unerkenntliche verkohlte Masse aufgefunden wurde. Zwei Frauen wurden durch einen Gendarmen aus Persenbeug mit Lebensgefahr aus den Flammen getragen, welche beide die heiligen Sterbesacramente empfingen und eine bereits in Zügen liegt.

Se. kaiserliche Hoheit Erzherzog Karl Ludwig und Ihre kaiserliche Hoheit Erzherzogin Maria Anunziata, höchstwelche von Persenbeug nach Artstetten fuhren, begaben sich von Marbach zur Brandstätte und leisteten eigenhändig Hilfe. So trug Se. kaiserliche Hoheit selbst Einrichtungsstücke aus den Häusern und Ihre kaiserliche Hoheit pflegte die Verunglückten, tröstete die Jammernden.

Das Elend ist groß, die meisten Häuser brannten ganz aus, es gingen Betten, Wäsche etc. verloren, was hiervon besonderem Belange ist, da die Leute von den Wallfahrern größtentheils leben, und von jetzt an die meisten Wallfahrts-Schaaren zu kommen pflegen, daher man sich auch mit frischen Wallfahrtswaaren versah, welche ebenfalls verloren gingen.

Zur Hebung der ersten größten Noth haben gleich edle Menschenfreunde das Mögliche gethan. So die edlen Bewohner der nahen Stadt Ybbs, welche dem 4. D. Früh eine Sammlung veranstalteten und den namhaften Betrag von 190 fl. nebst Lebensmitteln in thätiger Nächstenliebe spendeten; so Se. kailerliche Hoheit Erzherzog Carl Ludwig mit einer Spende von 1000 fl.; so der hochw. Herr Bischof vonSt. Pölten mit 100 fl. aus Eigenem und mit 500 fl. vom Kichenvermögen.

Da die verehrte Redaction des „Vaterland“ schon oft ein Plätzchen dem Hilferufe für Unglückliche gönnte, dürfte auch die Bitte für die Unglücklichen von Maria-Taferl nicht abgewiesen werden, und es ist mit Zuversicht zu erwarten, daß die „Vaterlandsfreunde“ auch Freunde der Hilfsbedürftigen seien, welche, nachdem sie selbst oft im Leben um Hilfe im Elende des Zährenthales zur schmerzhaften Mutter Gottes flehten, ihr Ohr nicht verschließen und ihre Hände nicht verbergen werden bei dem Schmerz und der Noth der Bewohner jenes Ortes, wo die schmerzhafte Mutter besonders von Tausenden und Tausenden verehrt und angerufen wird.

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Andrea & Robert Jiranek

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