Anno 1813 – Lubereck

Vaterländische Blätter, 13. Februar 1813

Bemerkungen über die k.k. Familien-Herrschaften im Kreise ober dem Mannhartsberge.

Auf einem Streifzuge am linken Ufer der Donau, auf dem wir freilich nur bis Leiben kamen, haben wir einige Daten über die k.k. Familien-Herrschaften, ehedem größten Theils ein Eigenthum Führnberg’s, aufgesammelt, deren Mittheilung Ihnen vielleicht nicht uninteressant seyn dürfte.

Der Sitz des Inspectorat-Amts über diese Herrschaften ist das Familiengut und die Poststation Lubereck, Melk gerade gegenüber, am linken Ufer der Donau, und zu beyden Seiten der Mündung des kleinen unbedeutenden Luberbaches. Es ist ein kleines, ganz regelmäßig in einer Fronte neben der Donau aufgebautes hübsches Dörfchen. In der Mitte steht das niedliche Herrschaftsgebäude; an dieses schließen sich zu beyden Seiten ein Parr gleiche Gebäude, die Wohnung des Geistlichen und die Kapelle an; dann folgen unten ein Paar Wirtschaftshäuser mit den Kornspeichern, Wagenschupfen, den Ställen, der Schmiedewerkstätte etc.; in einiger Entfernung erblickt man dann in Westen das Inspectorhaus mit der Kanzley und Post, und in Osten ein Wirtshaus. Die Distanzen sämmtlicher Gebäude zu beyden Seiten des Herrschaftshauses sind gleich abgemessen, und immer die zwey sich gegenseitig correspondirenden Gebäude in gleichem Style aufgeführt; ein Anblick von sonderbarer Wirkung und ein Werk des Oberstlieutenants v. Führnberg. Hinter dem Gebäude, am Fuße der Anhöhen ist alles, so weit es der enge Raum noch gestattete, mit Obstbäumen besetzt, über diesen erheben sich Weingärten, und dann Waldungen. Hinter dem Amtsgebäude, an dessen östlicher Seite sich der kleine Luberbach der Donau entgegenwindet, zieht sich ein schmales von ihm bewässertes Thal die Anhöhe jäh hinauf bis zum Dörfchen St. Georgen (oder „Jörgen“ nach hiesiger Landessprache). Die Abhänge zu beyden Seiten, besonders zur Linken, sind mit Buchen und Birken besetzt, die kühlenden Schatten auf die darunter liegenden Wiesen verbreiten.

Unter das Luberecker Inspectorat gehören acht kaiserliche Familien-Herrschaften: Leiben, Emmersdorf, Aggsbach, Gutenbrunn, Rohregg, Böckstall, Persenbeug und Weizierl (letztere im Kreise ober dem Wienerwalde). Das Gebieth der am linken Donauufer gelegenen sieben Herrschaften erstreckt sich von der Grenze Oberösterreichs bis über Ranna hinaus, in einer Ausdehnung von ungefähr 1 ½ Meilen.

In Lubereck sebst sieht man noch die Überbleibsel der vormahls freyherrlich v. Führnberg’schen hierauf kaiserlichen, nunmehr eingegangenen Holzschwemme. Es wurde jährlich aus den Waldungen bey Gutenbrunn eine große Menge Holzes auf dem Flüßchen Weiten bis nach Weiteneck, wo dasselbe in die Donau fällt, herabgeschwemmt, und hinter diesem Markte bey einem mit beträchtlichen Kosten erbauten Holzrechen durch eine Seitenöffnung in einen mehrere Fuß tiefen Kanal (die Anwohner nannten ihn „Pflüder“ oder „Geflüder“) gelassen, und auf diese Weise eine Viertelstunde weit bis Lubereck, wohin der Kanal in paralleler östlicher Richtung mit der Donau läuft, geleitet. Vor der Mündung desselben, die um dem weitern Fortrinnen des Holzes zu wehren, mit Eisengittern verschlossen war, durch welche bloß das Wasser seinen Ablauf nehmen konnte, war eine bedeutende Anzahl von Holzknechten aufgestellt, deren Geschäft es war, das herabschwimmende Holz mit eisernen Haken herauszuwerfen, in Klaftern aufzuscheitern, und nach Anlangung der bestimmten Schiffe (Kehlheimer) nach Wien abzuführen, wo noch gegenwärtig die Niederlage des Luberecker Schwemmholzes in der Rossau, vor dem neuen Thore zu sehen ist.

Der Weg von Lubereck nach Weiteneck ist nichts weniger als angenehm. Der neben der Straße liegende schmale Erdboden ist zu Kartoffelfeldern benutzt; scheint aber nicht sonderlich fruchtbar zu seyn. Neben einer Werkstätte, in der zu Tausenden Schindel aus Tannenholze verfertigt werden, drehte sich der Weg etwas rechts hinein, bis wir endlich über den Weitenbache nach Weiteneck gelangten. Es ist ein kleiner Marktflecken, am Fuße einer Anhöhe, auf welcher die Ruinen der großen Ritterburg ein schönes Bild der Vergänglichkeit darbiethen, und den gefühlvollen Wanderer zu ernsthaften Betrachtungen über das Schicksal aller Menschenwerke stimmen. Der kräftige Zahn der Zeit hat zwar schon lange Jahre an den Mauern der Burg genagt und manche Trümmer abgeknickt; aber noch immer würde sie unter die wohlerhaltensten Denkmähler aus den romatischen Ritterzeiten gehören, hätten nicht Menschenhände dazu beygetragen, daß die Mauern schneller auseinander bersten, und sich von allen Seiten mit Gras und Sträuchern bewachsen. Als das Posthaus in Melk gebaut wurde, ließ Baron Führnberg das Dach dieser Burg abdecken, und die alten starken Ziegel zu jenem Gebäude verwenden; und seitdem naht sie schnell sich ihrer Auflösung. Es hieß vor kurzem, daß Se. Majestät der Kaiser sich entschlossen haben, die Ruinen ganz wegzuschaffen, und eine neue schöne Familienburg, die von blühenden Herrschaften umgeben ist, an die Stelle der Verwüstung hinzubauen.

Von Weiteneck verfolgten wir die Straße weiter bis Leiben, durch ein ziemlich angenehmes, und mittelst einer hübschen Roßkastanien-Allee verschönertes Thal. Die Straße ist hier über mehrere Brücken geführt, die die beyden Ufer des Weitenbaches verbinden. Der Markt Leiben hat ein noch gegenwärtig vom herrschaftlichen Kanzleypersonale bewohntes Schloß eine kaiserliche Papiermühle, die nun das Ärarium in Pacht hat, und gegen Weiten hin eine Ziegelbrennerey.

Durch eine langjährige Benutzung der Waldungen bey Gutenbrunn und Martinsberg, die unter dem Nahmen Weinsbergerwald längst bekannt sind, mußte sich nach und nach der Holzschlag bedeutend vermindern.

Die Baumstöcke werden nirgends benutzt, sondern allenthalben der Vermoderung und Fäuliniß Preis gegeben. Ich erkundigte mich, ob man nicht Leppich’s bekannte Maschine anzuwenden versucht habe; worauf man mir eine verneinende Antwort ertheilte, und die Schwierigkeiten mit starken Farben schilderte, die nicht sowohl mit der Entwurzelung, als vielmehr mit der gehörigen Zertheilung der Stöcke und ihrer Transportirung durch die unwegsamen Gebirge verbunden seyn sollen. Se kaiserliche Majestät sollen sich bey Ihrer letzten Anwesenheit über die tauglichsten Mittel besprochen haben, wie dieses hier ungenutzt liegende Holz zum Besten des Landes verwendet werden könnte. Und in der That, es thut einem weh, so vile zum Theil vortrefflichen Brennstoff, so vile ungemien schönes Tischlerholz hier liegen zu sehen, mit dem Bewußtsein, daß Niemand davon Gebrauch machen kann.

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Andrea & Robert Jiranek

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