Rückblick auf die Ära des händischen Läutens

Wer kennt sie nicht – die versäumten Gelegenheiten! Die Eltern, die man nicht mehr fragen kann, weil es sie nicht mehr gibt. Das Haus, das abgerissen und neu aufgebaut wurde, ohne es vorher noch einmal zu fotografieren. Das erste Auto, das den Weg zum Schrottplatz fand. Die erste große Liebe, von der man nicht mehr genau weiß, wie sie damals aussah.

Oder wie in unserem Fall, die Glocke und das händische Läuten, das nun abgelöst werden soll, durch ein elektrisches Läutwerk. Wir konnten Erna Eder dazu überreden, quasi unser „Modell“ zu sein, und uns das Läuten noch einmal zu demonstrieren, um es filmisch festhalten zu können.

Wir wollten natürlich noch mehr wissen und haben Erna zum Läuten selbst, sowie der Handhabung im Dorf befragt. Geläutet wurde bei uns im Dorf 3 mal täglich, morgens, mittags und abends, 7 Tage die Woche. Das bedeutete, dass der- oder diejenige – egal ob es stürmte oder schneite – frühmorgens aus dem Bett musste, damit rechtzeitig die Glocke erklang. Auf eine Minute auf oder ab kam es dabei nicht immer an. Und selbstverständlich wiederholte sich das mittags und abends, auch wenn man schon gemütlich auf dem Sofa saß. Das Läuten wurde monateweise zwischen den Bewohnern der einzelnen Bauernhäuser des Dorfes aufgeteilt, so dass jedes Haus 2 x im Jahr jeweils für ein Monat mit dem Läuten „dran“ war, dazu wurde auch der alte schmiedeeiserne Kapellenschlüssel weitergereicht. Meist erledigten die „Alten“ diese Aufgabe, häufig schickte man auch die schon etwas älteren Kinder.

Das Läuten selbst war nicht allzu schwer, es bedurfte ein wenig Übung um die richtige Kombination aus Schwung und Rhythmus zu finden. Dann brauchte man dies nur noch für die korrekte Dauer einzuhalten.

Wie Paul mir nachträglich mitteilte, und er selbst seierzeit von einem Aichinger erfahren hat, wurde die Dauer des Läutens dadurch gemessen, indem ein gewisses Gebet gesprochen wurde, sodass immer annähernd gleich lang geläutet wurde.

Die alte, stählerne Glocke der Aichauer Kapelle wurde zum letzten Mal am 7. November 2020 von Mario Walchshofer geläutet.

Picture of Andrea & Robert Jiranek

Andrea & Robert Jiranek

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